Quantcast
Channel: Das Blog der Geekcouch
Viewing all articles
Browse latest Browse all 16

Eine Lebensgeschichte (ohne Happy End)

$
0
0
Dinge, die sich so oder so ähnlich zugetragen haben mögen. Andere könnten daraus einen Roman von Weltliteratur entwickeln.

Ihre Kindheit kann keine besonders großartige gewesen sein. Die Verhältnisse waren einfach, und es war Krieg. Nach der Schule hat sie einen Beruf gelernt und eine Anstellung in einer Firma gefunden. Und dort die große Liebe ihres Lebens: Ein deutlich älterer Kollege, der vermutlich schon damals streng und hart war, vor allem gegen sich selbst. Aber auch ein kluger Mensch von einiger Empfindsamkeit, was er aus irgendwelchen Gründen unter einem dicken Panzer verborgen
hielt.

Allerdings: Er war verheiratet und hatte auch Kinder. Seine Ehe war nicht glücklich, eine Scheidung stand aber trotzdem nie zur Diskussion. Er mag seine Frau schon längst nicht mehr geliebt haben, aber er sah sich trotzdem in Verantwortung. Als etwa, viele Jahre später, sie ihr letztes halbes Jahre im Krankenhaus lag, hat er es sich nicht nehmen lassen, sie dort jeden Tag zu besuchen.

So blieb es bei einer mehr oder weniger intensiven Freundschaft. Woanders binden wollte sie sich nicht mehr, und so war sie, zumindest nach außen, alleinstehend. Firmenfeiern waren eine Gelegenheit, bei der sie in unverfänglicher Situation seine Familie ein bißchen kennenlernen konnte.

Die Jahre gingen dahin. Irgendwann hatte er das Rentenalter erreicht. Wie sie dann noch den Kontakt hielten, wußten nur sie selbst.

Die Heimlichtuerei endete erst nach dem Tod seiner Ehefrau, und da war er schon über 80. Seine Familie, er war inzwischen Urgroßvater, hatte die anfängliche Überraschung schnell überwunden und akzeptierte "seine Freundin" ohne Wenn und Aber. Daß die Kontakte spärlich blieben, lag nur an den großen Entfernungen, nicht an irgendwelchen Animositäten.

Leider sollte sie nicht mehr viel an ihm haben, er starb nur wenig später. Sie blieb alleine zurück, von ihrer eigenen Familie gab es auch niemanden mehr. Und bald danach war sie noch wegen einer verpfuschten Operation an den Rollstuhl gefesselt.

Jetzt erreicht mich die Nachricht von ihrem Tod. Zusammen mit der Bemerkung, daß niemand zur Sargfeier kommen wird. Da plagt mich doch ein bißchen das Gewissen, auch wenn ich sie nur zwei- oder dreimal kurz getroffen hatte.

Um fast 18 Jahre hat sie ihn überlebt. Und immer, wenn ich in den letzten Jahren gelegentlich an sie dachte, überkam mich ein Gefühl von großer Traurigkeit. Auch wenn sie sich trotz allem die Freude am Leben nicht hatte verderben lassen.

Aber, wäre ein anderes Leben ein besseres gewesen? Wie immer gilt: Wir werden es nicht wissen.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 16

Latest Images



Latest Images